Sarah Lesch ist eine der großen Songschreiberinnen der neuen deutschen Liedermacherszene. Ihre lyrischen und feinsinnigen Texte behandeln das Große im Kleinen, beobachten den Alltag und die Welt aus einer Perspektive, die immer nah am Geschehen ist und moralische Schlüsse dem Hörer überlässt. „Ich schreib euch keine Parolen“ ist das Credo der Künstlerin, die wohl gerade deshalb wie kaum eine andere mit ihren Liedern die gesellschaftspolitischen Themen der jüngsten Zeit in einer Art und Weise auf den Punkt zu bringen vermag, die das Publikum abholt und zum Nachdenken einlädt, statt zu belehren. Dass Sarah Lesch dabei auch noch musikalisch ausgesprochen gute Songs schreibt und mit kongenialen Sessionmusikern auf die Bühne bringt, macht das Ganze perfekt. Die Leipzigerin wird 2019 mit neuen Songs auf Tour sein.
Fatoni – Juicy Gay *** ausverkauft ***
Bei Fatoni ist’s alles ein bisschen anders. Vor ein paar Jahren glaubte er selbst nicht mehr an eine Musikkarriere. Dann wurde er Deutschraps schärfster Beobachter, mit schelmischem Humor und zynischem Zeigefinger. Und nun, wo es drauf ankommt, auf dem vorläufigen Hoch seiner Karriere, tritt er mit „Andorra“ die Flucht nach vorn an: Fatoni erzählt zum ersten Mal so richtig von sich selbst.
Dabei sein ist alles. Als Anton Schneider in den Neunzigern die Goldene Ära von Deutschrap miterlebt, will auch er Teil einer Jugendbewegung sein. Seine Helden stehen am Mic, rauchen Pflanzen und erklären ihm die Welt in Freestyles. Anton gründet mit seinen Münchner Freunden eine Rap-Crew – nur ist da gerade nicht mehr so viel Platz für die Philosophien postpubertärer Mittelständler. Also macht Anton in Hochkultur, inklusive Schauspielstudium an der renommierten Otto Falckenberg Schule. Was er damals nicht ahnt: dass er gute zehn Jahre später als Fatoni die Rolle seines Lebens findet.
Im Jahr 2019 ist Fatoni eine der unwahrscheinlicheren Figuren im deutschen Popzirkus – schon deshalb – weil er mit Mitte dreißig gerade seinen zweiten Karrierefrühling durchlebt. Schuld daran ist vor allem „Yo, Picasso“, jenes Album, auf dem sich Fatoni 2015 mit Platinproduzent Dexter duellierte und dabei eine neue Stimme fand. Es war die Platte, an die Fatoni schon selbst nicht mehr glaubte – und man muss sie erwähnen, um „Andorra“ zu verstehen. Weil in „Yo, Picasso“ schon vieles von dem steckte, was Fatoni heute zu einem so brillanten Erzähler macht: sein unglaublich präziser Blick auf das Geschehen und der gewitzte Charme, mit dem Fatoni all das kommentiert, was uns Menschen schlichtweg zum absurdesten Phänomen auf diesem Planeten macht.
Wie Fatoni seine Umwelt sezierte, war schon damals ziemlich Kunst. Das Haar in der Suppe – wenn man es denn unbedingt finden wollte: Was den Menschen hinter der Künstlerpersona antrieb, ließ sich nur erahnen. „Andorra“ braucht genau einen Song, um damit zu brechen: „Alles zieht vorbei“ ist vielleicht der ehrlichste Song, den Fatoni je schrieb. In jedem Fall ist er der Ergreifendste. Und er steht endlich ganz vorne. „Früher habe ich die autobiografischen Songs immer ans Ende der Platte gepackt, weil ich mich nicht so recht traute“, gesteht Fatoni. Mit „Alles zieht vorbei” verhandelt er zum Einstieg mal eben einen Autounfall, legt diverse Angstgeständnisse ab und gesteht sich die größte Künstlerkrux überhaupt ein, das ewige Ringen um Anerkennung. Dann plötzlich, aus dem Nichts – Auftritt Dirk von Lowtzow, Tocotronic-Frontmann und Diskurs-Pop-Don höchstpersönlich: „Nichts ist so einfach, alles so kompliziert/Fremde Lebensentwürfe hast du schon immer romantisiert.“
Apropos fremde Lebensentwürfe: Natürlich geht es auf „Andorra“ auch um „Die Anderen“. Die leben einem den ganzen Quatsch schließlich vor. So wie Kifferkumpel Jan, mit dem sich Fatoni als 17-Jähriger die Bong teilte und der heute, rund 17 Jahre später, beim jährlichen Wiedersehen mit kruden Verschwörungstheorien um sich wirft. Oder „Mitch“, der Junkie, den der kleine Anton einst mit seinem Vater bewusstlos im Park auffand. Oder „D.I.E.T.E.R.“, Deutschlands erfolgreichster Schlagerproduzent, der sein Glück in der Ignoranz findet. Fatoni erzählt von diesen Personen, wie er schon immer von ihnen erzählt hat: in unglaublich humorvollen Anekdoten voll kleinster Details. Nur wo er früher als Mensch Distanz wahrte, sucht er nun Nähe. Wo Sarkasmus herrschte, ist plötzlich Empathie. Weil Fatoni sich nun selbst neben all diese Figuren stellt, wenn sie die Wege seiner Biografie streifen. Auf gesellschaftliches Neben-, Mit- und Gegeneinander bezieht sich auch der Albumtitel: nicht nur auf das gleichnamige Theaterstück von Max Frisch, sondern speziell auf den danach benannten „Andorra-Effekt“. Dieses sozialpsychologische Phänomen beschreibt menschliches Verhalten, das sich an Urteile und Erwartungen der Umwelt anpasst – und da sind sie wieder, die Anderen.
Man kann das auch so sehen: Früher wollte uns Fatoni die Welt erklären. So hat er das gelernt. Erst in seinem bürgerlich-intellektuellen Elternhaus, dann im Neunziger-Rap und schließlich am Theater. Er weiß, wie man sich den Kopf zerbricht. Aber Fatoni fühlt sich eigentlich ziemlich wohl dort, wo er gerade steht. Er lebt heute von dem, was er liebt. Er steht auf den Bühnen der Festivals und Clubs, die ihn prägten. Und er bekommt Liebe von all seinen früheren Helden – wirklich von allen. Selbst die Illustratorenlegende Klaus Voormann, der „fünfte Beatle“, der das „Revolver“-Album bebilderte, für Lou Reed am Bass saß und Trios „Da Da Da“ produzierte, sagte mit Begeisterung zu, als Fatoni fragte, ob er nicht das Cover für „Andorra“ illustrieren wolle. „Mein sechzehnjähriges Ich würde komplett durchdrehen, hätte es gewusst, was noch passiert“, sagt ein Anton „Fatoni“ Schneider, der heute mehr bei sich ist als je zuvor in seiner Karriere. Vielleicht hat er deswegen den Zeigefinger eingezogen.
Dass sich Fatoni wohl fühlt, liegt auch an dem Umfeld, mit dem er heute seine Kreativität teilt. In Dexter fand Fatoni den Partner, der ihm nicht nur Beats auf dem Leib schneidert, sondern mit dem er eine musikalische Vision teilt. Wenn „Yo, Picasso“ noch auf dem klassischen Rollenspiel von Produzent und Rapper fußte, dann ist „Andorra“ das künstlerische Statement, das Fatoni nicht nur als Rapper zeigt, sondern – so viel Pathos muss erlaubt sein – als Musiker.
Fatoni ist heute ein Musiker, der Skizzen befreundeter Produzenten wie Torky Tork, Fid Mella oder Occupanther mit zu Dexter ins Studio bringt, wo die beiden gemeinsam am Detail feilen. Er setzt sich mit seiner Gitarre in die Gesangskabine, um mit „Krieg ich alles nicht hin“ seine vollkommen unpeinliche Hommage an die Ärzte zu performen. Er ist ein Musiker, der mit überheblichen Punchlines und einem Casper-Feature auf „Burj Khalifa“ mal eben den Zeitgeist von Rap bezwingt. Vor allem aber ist er Musiker, weil er gelernt hat, Songs zu schreiben, die in Würde altern. „Wenn man Rap auf der Höhe der Zeit macht, wird man immer in jener Zeit bleiben“, meint Fatoni. Deshalb hat er so viele Spielereien auf seinem letzten Mixtape „Im Modus“ geparkt. Die Songs, die man noch in zehn Jahren hören will, sind nun auf „Andorra“. Weil sie keinen Trend jagen. Vor allem aber, weil sie schlichtweg so unglaublich gut erzählt sind.
Die schönsten Geschichten schreibt das Leben, so sagt man. Die zweitschönsten schreibt Anton „Fatoni“ Schneider. Und zwar dann, wenn er aus seinem Leben erzählt.
Dagobert – „Welt Ohne Zeit“ Tour 2019 – John Moods
„The Man who fell from Earth“ ist ein seltsamer Science-Fiction-Film von Nicholas Roeg; er handelt von einem Außerirdischen, der auf der Erde strandet und ein Raumschiff bauen will, um endlich die Rückreise antreten zu können.
Eine ähnliche Ankunft ereignete sich vor ein paar Jahren in der deutschen Hauptstadt. Plötzlich tauchte da dieser Außerirdische auf (okay, er war Schweizer); ein schöner junger Mann voller Weltschmerz, in einem maßgeschneiderten, wie von einer langen Reise zerschlissenen Frack. Er trug den seltsamen Comic-Namen Dagobert. Wie man hörte, lebte er in dem Hinterzimmer eines kleinen Cafés, von nicht viel mehr als seiner Sehnsucht. Wie man weiter hörte, hatte er zuvor fünf Jahre lang wie ein Einsiedler oben in den Bündner Bergen gewohnt, sich fast ausschließlich von Reis ernährt, Lieder geschrieben und zwischendurch allerhöchstens mit einigen Steinböcken kommuniziert. Er klang nach einer Figur aus der Zwischenwelt, wahrscheinlich vom Himmel gefallen, vielleicht aber auch vor zweihundert Jahren von Josef von Eichendorff erfunden und dann in der Zukunft abgesetzt.
„Welt ohne Zeit“ handelt von zehn Beziehungen, und dieses Mal, das unterscheidet sie von den Songs der ersten beiden Alben, sind es keine Sehnsuchtsgebilde; sie haben alle stattgefunden, Dagobert hat sie erlebt.
Manche sind bittersüß:
Wir hatten uns/ Wir hatten Zeit/ uns beiden gehört die Vergangenheit. Andere todtraurig:
Du hast dich weggelebt/ aus unserer jungen Welt/ und gar nicht erst versucht/ zu machen, dass es hält.
Und wieder andere lakonisch:
Ich wünsch mir so sehr/ du wärst hinter mir her/ wenn’s nicht klappt, werd ich Kosmonaut…
„Lange Jahre war ich ein schwerer Einsiedler“, sagt Dagobert, dessen R’s und T’s so sanft klingen wie Erlösung. „Nun bin ich endlich in Berlin angekommen. Ich habe viele Menschen kennengelernt, echte Freundschaften geschlossen und konnte mich dem allen hier hingegeben.“
Ein echtes Berlin-Album also, allerdings ganz ohne Hässlichkeit und Betondecke.
Musikalisch sei dieses Album ebenfalls anders entstanden als die ersten beiden: „Früher war ich wie ein kleiner Diktator, der alles selber entscheiden wollte, obwohl es vielleicht gar nicht immer richtig war.“ Für „Welt ohne Zeit“ hat Dagobert sich komplett dem jungen Musiker und Produzenten Konrad Betcher anvertraut. Zusammen mit Dagoberts langjährigem Live-Gitarristen Max Zahl verschanzten sie sich in einem einsam gelegenen Haus an einem See irgendwo in Brandenburg und schliffen die musikalischen Einfälle von Dagobert zu etwas, das tatsächlich aus einer Welt ohne Zeit zu stammen scheint; ein Konzeptalbum, wie es das eben heute eigentlich längst nicht mehr gibt.
Als Inspiration nennt Dagobert komponierende Sonderlinge wie Tiny Tim, den musikalischen Satanisten Anton LaVey, den Moog-Pionier Mort Garson, der mal eine Platte herausbrachte, mit der er angeblich Pflanzen zum Wachsen bringen konnte. Oder auch den als Sänger möglicherweise doch unterschätzten Telly Savalas. Heraushören kann man auf der neuen Dagobert-Platte aber noch viele andere Einflüsse; New Order, die frühen Depeche Mode, aber auch die unvergleichlich süßen Synthesizer-Harmonien von asiatischem Pop, hymnische Gitarren wie bei den Manic Street Preachers oder den Scorpions.“Welt ohne Zeit“ klingt bei all dem immer noch so schwelgerisch schön, wie man es von Dagobert gewohnt ist. Es ist aber ein bisschen fassbarer als die beiden Alben davor, stimmig und selbstbewusst, mit Liedern, die sehr aufeinander bezogen sind und trotz gemeinsamer Grundidee unabhängig voneinander schweben.
Das vielleicht Beste daran: Dagobert klingt kein bisschen mehr so, als würde er sich schon bald wieder auf die Rückreise machen.
Support:
JOHN MOODS
Alone in the world, we find ourselves. Inside ourselves, we find something to share with the world.
The Essential John Moods, ein Soloalbum im wahrsten Sinne des Wortes, ist was Jonathan Jarzyna (Mitglied der Berliner Band Fenster) in sich entdeckte, als er im Sommer 2017 alleine entlang der spanischen Küste wanderte. Seine Entdeckung will er nun mit der Welt teilen.
Eine Minigitarre im Rucksack und GarageBand auf dem Handy ermöglichten es ihm jeden Abend, nach langer Wanderung in einer neuen Stadt angekommen, Lieder aufzunehmen (zugegebenermaßen wurden den Songs später noch Live-Schlagzeug und ein paar weitere Instrumente hinzugefügt). Das Album schafft es, das Gefühl des Wanderns, des Umherstreifens beizubehalten – jeder Song bezieht sich auf den folgenden, wie eine Stadt oder ein Dorf sich auf ihre Umgebung beziehen, die eigene Einzigartigkeit als Kontrast zur geteilten, traditionellen Architektur. Piepende Instrumentalinterludes (Trainride, Pontevedra, Coastal Way) erfassen das Gefühl von Desorientierung und Delirium an Verkehrsknotenpunkten und die Verwirrung, wenn man in einer neuen unbekannten Umgebung aufwacht.
“I just came alive completely” sind die ersten von Jarzyna gemurmelten Worte auf New Spring, mit ihnen beschwört er den Geist des Albums herauf. Nicht das Zucken manischen Aktivismus’ sind damit gemeint, sondern die zarten Sensibilitäten im Hier und Jetzt. Den ganzen Reichtum des Lebens umfassend, reicht die Bandbreite vom klirrend-leichten Groove auf The Weight bis hin zu den ausufernden Meditationen in Pawns. Ein träumerisches Echo von 60er und 70er Softrock und Folk durchfluten das Album, das Orgel-durchtränkte Where In The World hat gar einen psychodelischen Unterton. Dennoch, der Sound von The Essential John Moods ist erstaunlich zeitgemäß, wie etwa der Lounge-Funk von Take It Home (inklusive eines atemberaubenden Einstiegs von Chef-Crooner Sean Nicholas Savage) oder der traurige Jazz von Almost Gone. Dark Wallerinnert an eine Country-Polonaise neben einem Roboter, der vorsichtig lernt, Hawaiigitarre zu spielen. Leap of Love, ein frühes Highlight des Albums, erfasst den Hörer in schimmernden Wellen – ein Liebeslied, das selbst seinem Erschaffer ein Rätsel bleibt.
In der meditativen Coda von Relax Your Foot hat Jarzyna genau die richtigen Samples rausgesucht um The Essential John Moods’ hoffnungsvolle Botschaft einzurahmen: Der legendäre Carl Sagan erinnert uns daran, dass “trotz unserer Beschränkungen und Fehlerhaftigkeit wir Menschen zu Großem fähig sind.”
Waving The Guns *** ausverkauft ***
Statt eines plötzlichen, großen Hypes ist der Bekanntheitsgrad über die letzten Jahre stetig und gesund gewachsen, ohne irgendetwas künstlich zu erzwingen.
Waving the Guns kommen aus Rostock und machen Rap. Darin enthalten sind eine gesunde Portion Antihaltung, Eloquenz, Pöbeleien, richtige bis sehr richtige Kommentare zum Zeitgeschehen sowie Punchlines satt. Die Beats sind Sample-basiert und bewegen sich fast immer rund um die 90 bpm, wie es sich gehört. Live überzeugen WTG mit viel Humor, vollem Einsatz sowie genug Möglichkeiten zum Mitsingen/-rappen/-gröhlen.
Waving the Guns stehen für Hass und gute Laune, High Fives und Ohrfeigen, Kopfnicken und „Nein“ sagen.
Vor allem anderen ging es jedoch immer darum, Konzerte zu spielen. Durch stetes Tingeln überall dorthin, wo es Bühnen und Rückkopplungen gibt, wissen Waving the Gunswie man eine Crowd zu unterhalten und Songs energiegeladen vorzutragen hat. Unter dem Motto: „Es hätte so ein schöner Abend werden können“ wird genau dies ab März 2019 wieder praktiziert.
Dem angesichts beschränkter Sichtweisen schlecht gelaunten Publikum werden High Fives gegeben, ohne Garantie allerdings, nicht doch noch eine gewischt zu bekommen. All denjenigen, die gerne nach unten treten und es sich im warmen Schoss der Einfältigkeit bequem machen – im besten Fall wird die Stimmung verhagelt.
Sicher ist, dass Feste gefeiert werden, der Scheiße zum Trotz. Sie haben Großes vor in kleinen Hallen. Endlich wird wieder getourt!
Raggabund & The Dubby Conquerors
Das Deutsch-Schweizerische Kollektiv Raggabund bringt sein inzwischen viertes Studioalbum raus: „Auf Pump“. Das neue Album bietet den bisher intensivsten und vielfältigsten Einblick in die musikalische Seele der Soundaktivisten.
Zwischen den malerischen Landschaften des Zürisees und dem satten Grün der bayerischen Voralpen fand Raggabund die Ruhe, um die brennenden Eindrücke der vergangenen Jahre in musikalische Strukturen zu verwandeln. Die letzten Tourneen in Asien oder Südamerika, der politische Strudel und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, bewegen die vier Künstler. Herausgekommen sind ihre verschiedensten Sichtweisen auf politische Sachverhalte, alltägliche Wunder oder ganz große Gefühle.
Raggabund ist in den unterschiedlichsten Rhythmen zu Hause. Brasilianischer Favela Funk, melancholischer Pop oder verzerrte Gitarren auf stampfenden Beats – dies und vieles mehr ist auf dem neuen Album vertreten. Allseits unverkennbar im sehr eigenen Raggabundstil ist der Fokus auf ihren musikalischen Kern – positive Botschaften in einer Zeit des Umbruchs.
Noch nie haben Raggabund dabei ihre Message so konsequent artikuliert wie auf dieser Platte. „Einige Songs kommen direkt aus dem Herzen und sind innerhalb kürzester Zeit entstanden“, sagt Caramelo. Er liebt diese besondere Entfesselung der Kreativität, die ihm das Gefühl gibt mehr Medium als schuftender Songwriter zu sein. „Manchmal geschehen Dinge oder man erfährt etwas in den Medien, was einen nicht mehr loslässt bis man es im Studio in einen neuen Track verwandelt hat.“
Viele der zehn neuen Songs sind auf diese Weise entstanden. Lieder wie „Was wird passieren“ oder „Grenzenlos“ befassen sich mit dem Wandel der als festgesetzt geglaubten Strukturen unserer Zeit. „Natürlich war Raggabund immer auch ein politisches Projekt“ wirft Paco ein. „Wenn wir Ungerechtigkeiten oder die grenzenlose Perversion des heutigen Finanzsystems betrachten kommen die Songideen wie von alleine.“
„Alles auf Pump“ befasst sich mit dem Paradigma ewigen Wachstums, „Radikala“ mit den aktuellen Verwerfungen in unserer Gesellschaft. Songs wie „Eigentlich“ sind hingegen durch die starken Eindrücke singender Fans geprägt, die auf ihren Konzerten quer um den Globus immer und immer wieder nach Zugabe brüllen. „Wenn man ein so intensives Gefühl erlebt, nachdem man bei heißen und stickigen Konzerten seinem Innersten freien Lauf gelassen hat, ist man in diesem Moment gefangen und muss es in eine Melodie fassen.“ sagt der Produzent und Keyboarder Michele.
12. Komische Nacht
Die Komische Nacht ist eines der erfolgreichsten Live-Comedy-Formate in Deutschland. In den schönsten Cafés, Bars und Restaurants einer Stadt erleben die Gäste und ihre Freunde bei dieser einzigartigen Show einen ausgelassenen Abend – mit bester Unterhaltung durch verschiedene Comedians, Kabarettisten, Zauberer und andere Komiker…
Diese Locations sind dieses Mal mit dabei:
• APEX
• Bacon Supreme
• Cafe & Bar Celona
• De Medici
• Hotel Weender Hof
• Ristorant La Locanda
• musa
• Nörgelbuff
Sichert euch jetzt eure Tickets und freut euch auf erstklassige Unterhaltung.
Ulla Meinecke – „und Danke für den Fisch“
Ulla Meinecke Band
mit den Multi-Instrumentalisten Ingo York und Reinmar Henschke
„GUTE GEISTER“
Ja, ein Orchester. In der Besetzung: Piano, 3 x Keyboard, 2 x Bass, E-Gitarre, akustische Gitarre, Synthesizer, Mundharmonika,
Schlagzeug (Bassdrum, Snare, HiHat, Rimshot).
Das Ganze wird gespielt von zwei grandiosen Musikern, die viele dieser Instrumente gleichzeitig spielen und dazu mal eben noch singen. Reinmar Henschke und Ingo York weben den Sound eines ganzen, eines ungewöhnlichen, eines tollen Orchesters. Ulla Meinecke gibt diesem Orchester den Glanz, den Inhalt – mit ihrer wunderbaren Stimme und ihren Texten, die mal melancholisch, mal voller Lust und Humor daherkommen.
Diese Texte aus purem Leben haben eins gemeinsam – sie sind immer ehrlich.
Daraus entsteht ein zweiteiliger Abend mit vielen Songs von Ulla Meinecke, aber auch von anderen Komponisten und Textern, manchmal als fröhlicher Gruß an sie und manchmal voller Trauer. Gestaltet wird er von „nur“ 3 Personen, die ihr Handwerk perfekt beherrschen und man spürt, dass sie noch immer Freude daran haben.
Ein tolles Konzert mit Ulla Meinecke und ihrem Orchester.
Passepartout
PASSEPARTOUT steht für deutschfranzösischen HipHop, dynamische Tanzmusik, ein Kollektiv aus gut gelaunten Schräghängern. Nicht nur sprachlich sind die sieben Freunde auf mehreren Gleisen unterwegs, auch musikalisch bedienen sie sich an verschiedensten Einflüssen.
Auf ihrem Debut-Album „Kiosque“ reist die Band durch das Mississippi-Delta, tanzt Salsa in Cuba, fließt durch den Strom im Atlantik, macht sich die Straßen Frankreichs zu eigen und schlittert knapp an der Jamaikanischen Sonne vorbei, um im Weltraum tief zu rollen. Bei aller Tiefgründigkeit nehmen die Großstadtcamper sich nicht zu ernst und trotz selbst ernanntem VIP- Status selber auf die Schippe.
In dieser bunten Tüte aus Rap, Soul, Jazz und Rock ’n Roll ist für jeden was dabei.
Enno Bunger – Sarah Muldoon
„Zeit ist Geld – wir werden so reich geboren.“
Das allein ist schon ein Satz für die Ewigkeit. Für die Nachwelt. Als Erinnerung daran, wie häufig wir diesen wahren Reichtum achtlos verschwenden. Meistens bemerken wir das erst, wenn der Tod in unser Leben tritt und liebe Menschen dieses Reichtums viel zu früh beraubt. Eben glaubten sie sich noch wohlhabend, hatten ihr halbes Leben vor sich, mindestens… doch dann sind sie weg. All die Erlebnisse, die noch hätten sein können. All die Erinnerungen, die zu sammeln man aufgeschoben hat, während man stattdessen Quittungen sammelte für die Steuer oder verfluchte Kontakte für das berufliche Netzwerk. Wozu?
Wäre Enno Bunger bloß ein musikalischer Dienstleister, würde er seine persönlichen Erfahrungen mit dem Tod ignorieren. Den Menschen, den er tatsächlich verloren hat. Den Menschen, der gerettet werden konnte. Er würde die Spuren auf seiner Seele für sich behalten und in seinen Liedern einfach unverfängliche Phrasen collagieren, wie man es heute so macht. Aber Enno Bunger ist Künstler. Und als solcher lässt er uns teilhaben. An der Furcht vor dem Diebstahl der Lebenszeit und dem Zorn auf die Unverfrorenheit des Räubers. An der Innigkeit und Nähe, die im gemeinsamen Kampf entsteht. An der Trauer, wenn der Kampf verloren geht und an dem völlig neuen Blick auf das Leben, wenn man ihn gewinnt und seine Zeit nicht länger vergeuden möchte.
„Ich schieb nichts mehr auf meine Bucketlist / Ich leg jetzt los bevor alles im Eimer ist.“
Enno Bungers viertes Album bietet den Soundtrack für ein besseres Leben. Eines, in dem man lieber gute Erinnerungen sammelt als Messenger -Verläufe. Eines, in dem die Qualität des Augenblicks größeren Wert hat als das imaginierte Ziel in der Ferne. „Wir wollen nichts mehr werden / wir wollen nur noch sein.“ Die Konsequenz der Platte liegt darin, dass sie diese Qualität lyrisch wie musikalisch in jedem Ton umsetzt. Mutig öffnen sich Bunger und seine Musiker modernen stilistischen Formen und nutzen sie allesamt zu ihrem Vorteil. „Bucketlist“, „Wolken aus Beton“, „One-Life-Stand“ und vor allem das sechsminütige „Ponyhof“ erzählen ausschweifend und tanzbar entwaffnend emotionale Geschichten in der einzigen Form, die ein ganzes Leben in ein paar Dutzend Verse packen kann: Dem Sprechgesang. Enno Bunger rappt, und das besser und luzider als die meisten Hauptberufler dieser Gattung! „Glaube an die Welt“ wiederum bettet das Flehen um eine Verlängerung des Daseins in eine angemessen schwere Form. „Niemand wird dich retten“ verknüpft seine Sprachbilder von Superhelden und Videogames launig mit „Stranger Things“-Retro-Synthies. „Stark sein“ und „Konfetti“ erinnern als klassisch große und dennoch geschmackvolle Piano-Pop-Balladen an Höhepunkte von Oasis oder Robbie Williams und sind so in diesem Land noch nicht geschrieben worden. Produziert mit Tobias Siebert (sieben Songs), Roland Meyer de Voltaire (zwei Songs) sowie im Alleingang (zwei Songs), findet die Hingabe an das geschenkte Leben Ausdruck in der Sorgfalt der Arrangements und der Tiefe der Emotionen, aber auch in der Verspieltheit der Sprache selbst. Frische Metaphern versprühen echte Lust auf Lyrik. Übermütige Wortspiele erzeugen geistige Kiekser der Freude bei Zeilen wie: „Du suchst überall nach einem Helden, doch hier ist niemand, der einen Clark kennt.“Die Erinnerung an eine Beerdigung treibt einem die Tränen in die Augen:„Kannst Du das sehen – wie wir uns vor Dir verneigen? / Die Bäume streuen Konfetti und klatschen mit den Zweigen.“ Der narrative Marathon von „Ponyhof“ war tatsächlich eine echte Trauzeugenrede. Und spätestens, wenn „jeder Pieks in deinen Arm“ wie „ein Stich in mein Herz“ ist, fühlt sich jeder in tiefer Resonanz verbunden, der jemals den Kampf gegen das alte Arschloch Krebs miterlebt hat. „Ich hätte in dieser Phase eigentlich dringend einen Psychotherapeuten aufsuchen müssen“, sagt Enno Bunger, „aber ich wollte mich durch das Schreiben selbst therapieren. So können aus den traurigsten Anlässen die berührendsten Lieder entstehen. Die größte Scheiße, durch die man gehen muss, kann der beste Dünger für berührende Kunst sein.“
Nach „Wir sind vorbei“ ist „Was berührt, das bleibt.“ somit ein weiteres Konzeptalbum zur Verarbeitung einschneidender Erlebnisse aus der Feder eines Mannes, der seine ganze Kindheit am Klavier verbracht hat und schon im Alter von 13 Jahren als Barpianist in Ostfrieslands Kneipen spielte. Einer, dessen Wurzeln tief im klassischen Indie-Songwriting eines Bon Iver oder Elliot Smith stecken, dessen Triebe sich aber bis in luftige Höhen von alternativem Hiphop, ästhetischer Elektronik oder wolkenfeinem Trap recken. Nach dem Hören diese Albums fragt sich jeder, ob er sein Leben wirklich lebt oder doch mal neu laden sollte. Oder, in den Worten Bungers: „Niemand hier kann Dich retten / Niemand, außer Dir selbst.
Sarah Muldoon, die Hamburger Songwriterin und Co-Writerin von Enno Bungers aktuellem Album „Was berührt, das bleibt“ stellt ihr Soloprojekt vor. Mit warmem Synth–Pop schafft sie aus dem Abgrund, den ihre Texte vermuten lassen, große Nähe und eine neue Tiefe. Als Multiinstrumentalist und Produzent begleitet sie ihr Bruder Julian Muldoon. Die Muldoon–Geschwister, die zuletzt als Folkpop-Duo Sarah and Julian unterwegs waren, zeigen sich erstmals in neuer Form.
28. Göttinger Literaturherbst: Andreas Dresen – Jetzt kommen die fetten Tage, Linda
Sechs Lolas auf einen Streich: „Gundermann“ (2018) hat beim Deutschen Filmpreis 2019 abgeräumt. Und dies, nachdem sein Regisseur Andreas Dresen („Halbe Treppe“, „Sommer vorm Balkon“) ganze zwölf Jahre um die Realisierung dieses Projekts gekämpft hatte. Kaum eine andere Geschichte erzählt so viel von der DDR wie die des Liedermachers und Baggerfahrers Gerhard Gundermann, der eben nicht nur wunderbare Songs wie Gras und Linda geschrieben hat, sondern auch jede Menge Spitzelberichte für die Stasi. Mit Dresen spricht Helge Schweckendiek (Lumière). Im Anschluss wird der Film Gundermann gezeigt. In Kooperation mit dem Lumière und dem Unikino. Foto: Bernd Harnisch