Hospitalstraße
37073 Göttingen
Deutschland
Wir sind keine Barbaren!
von Philipp Löhle
Wenn das Fremde in Person eines mysteriösen Flüchtlings vor der Tür steht, gerät die Welt des durchschnittlichen Wohlstandsbürgers aus den Fugen – mit tödlichen Folgen. Idyllische Klänge läuten das Stück ein: Ein Heimatchor, der im weiteren Verlauf immer wieder in trauter Eintracht die Stimme erhebt, besingt eine Gemeinschaft, in der das WIR großgeschrieben wird. WIR sind alle gleich, werden 73 Jahre alt und haben mindestens drei Hobbys. WIR sind in diesem Fall Barbara und Mario und deren neue Nachbarn Linda und Paul. Auch wenn das erste Kennenlernen mehr als holprig verläuft, finden die beiden Pärchen doch ausreichend gemeinsame Interessen – Flachbildschirme für die Männer, Yoga für die Frauen –, um eine höfliche Freundschaft zu pflegen.
Doch als eines Nachts ein Fremder auftaucht, dem Barbara kurzerhand Asyl in ihrer Wohnung gewährt, ist es mit den Höflichkeiten vorbei. Schon was Namen und Herkunft des Flüchtlings betrifft, kann man sich nicht einigen. Er heißt entweder Klint oder Bobo und kommt aus Asien oder Afrika. Jedenfalls hat er Schreckliches durchgemacht, was doch zu uneingeschränkter Hilfsbereitschaft verpflichten sollte. Oder stellt er eine Bedrohung dar? Oder vielmehr eine exotische Verlockung? Noch bevor darüber endgültig entschieden werden kann, verschwinden Barbara und der Mann. Und der Heimatchor hat sein Urteil bereits gefällt.
Besetzung
Inszenierung Tobias Sosinka
Bühne und Kostüme Susanne Ruppert
Dramaturgie Nico Dietrich
Mit Linda Elsner, Agnes Giese, Peter Christoph Scholz, Karsten Zinser
Heimatchor Anna Sabrina Friedrich, Yonca Göçer, Katrin Knieling, Luisa Schinkel, Emma Schisler , Gudrun Voss, Winfried Binder, Jörg Bauer, Tom Scherer
Pressestimmen
„Sehr lustig und sehr ernst hat Tobias Sosinka „Wir sind keine Barbaren!“ am Jungen Theater Göttingen inszeniert. Die vier Schauspieler überzeugen in der übertriebenen Darstellung der Protagonisten. Besonders Scholz brilliert als oberflächlicher Dümmling und sorgt für einige Lacher.“ (Jorid Engler, Göttinger Tageblatt)
„Agnes Giese brilliert in dieser Rolle in einer Mischung aus resignierter Frustration, noch wachen Wünschen und übersteigertem Gutmenschentum. Karsten Zinser ist als ihr Ehemann ein das Leben hinnehmender, freundlicher Zeitgenosse, jedoch blind für die Wünsche seiner Frau. Linda, die quirlige Fitnesstrainerin (wunderbar: Linda Elsner, mit gymnastischen Übungen ständig in Bewegung) und ihr immer am Spaßlimit agierender Ehemann Paul (herrlich hyperaktiv: Peter Christoph Scholz) leben völlig egozentrisch und reagieren mit massiver Abwehr auf den im Haus aufgenommenen Flüchtling. … Zusätzliches Dynamit erhält die Aufführung durch einen mehrfach auftretenden, aus neun Laienspielern bestehenden Chor. Mit aggressiver Wucht skandierend beschwört er das „Wir-Gefühl“ („Wir sind das vollkommene Volk“, „Wir sind reich“, „Wir haben Angst“) und steigert damit die vermeintliche Volksstimmung nahezu ins Unheimliche. Tobias Sosinka hat das über fast zwei Stunden gehende Stück mit Schnelligkeit und großem Spannungsbogen inszeniert. Auch wenn die köstlichen Dialoge gefahrlos hier und da hätten gekürzt werden können, war es ein nicht nur unterhaltsamer, sondern auch abwechslungsreicher und aufrüttelnder Theaterabend.“ (Carmen Barann, HNA)
„Langer, sehr verdienter Applaus für die Premiere. Ein abwechslungsreicher, kurzweiliger Abend, der zum Nachdenken und Diskutieren anregt!“ (Dajana, zehler, Kulturbüro)