Theaterpl. 11
37073 Göttingen
Deutschland

Von Klaus Pohl
Ein Hauch von Andersartigkeit – ein fremder Akzent, eine etwas exaltierte Garderobe oder ein besonders selbstbewusstes Auftreten – kann bereits ausreichen, um zur Projektionsfläche für romantisch-exotische oder auch aggressiv- fremdenfeindliche Zuschreibungen zu werden. Ein solcher ›Hauch der Fremde‹ wird der amerikanischen Jüdin Miriam Tree, die für ihre Hochzeit mit einem Deutschen ins Land ihrer Vorfahren zurückkehrt, zum Verhängnis und lässt historische Wunden erneut aufklaffen.
Auf dem Weg nach Berlin bleibt sie mit dem Intercity aufgrund eines heftigen Schneesturms auf der Strecke liegen. Ein junger Pole liest die ›schöne Fremde‹ auf und bringt sie in ein nahegelegenes Hotel in Weimar. Dort herrschen nach der Wende nicht nur Wiedervereinigungsfreude und Aufbruchsstimmung, sondern vor allem Stammtischweisheiten und Vorurteile: So könne die exotische Schönheit mit Akzent und seidenen Unterkleidern im Gepäck, die des Nachts im Hotel auftaucht, nur eine Prostituierte sein, die ihre Dienste anbieten wolle. Doch bevor man sich mit ihr beschäftigen kann, gilt es dem Polen, der die Einfahrt des Hotels zugeparkt hat, eine Lektion in Sachen ›Anstand‹ zu erteilen. Dabei gerät der stadtbekannte Neonazi Lutter außer Kontrolle: Der Pole stirbt noch in derselben Nacht an seinen Verletzungen, die »schöne Fremde« wird vergewaltigt. Als diese am nächsten Morgen einen Anwalt einschaltet, treten die einheimischen Beteiligten als geschlossene Front gegen sie auf und versuchen, den Schleier des Vergessens über die Vorfälle zu breiten. Traumatisiert setzt die »Fremde« ihre Reise fort. Doch anstatt Hochzeit zu feiern, kann Miriam Tree, die vererbten Narben der Opfergeneration des zweiten Weltkriegs tragend, nicht ablassen, bevor nicht Gerechtigkeit geübt wurde. Zu guter Letzt nimmt sie die Angelegenheit selbst in die Hand und kehrt nach Weimar zurück: diesmal nicht nur mit einem seidenen Kleid, sondern auch mit Rache im Gepäck.
Klaus Pohl
Klaus Pohl ist ein deutscher Schauspieler, Theaterregisseur, Dramatiker und Drehbuchautor. Seine Theaterkariere begann zunächst auf der Bühne, bevor er sich dem Schreiben von Stücken, häufig mit konkretem Bezug zur Zeitgeschichte, zuwendete. »Die schöne Fremde« wurde 1991 in der Regie von Johannes Klaus bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen uraufgeführt.