GASTSPIEL
Nele Stuhler in Koproduktion mit uniT Graz und SOPHIENSÆLE
Text und Regie: Nele Stuhler
Dramaturgie: Lisa Schettel
Bühne: Julius Lehniger
Sounddesign: Laura Eggert
Licht: Anahí Perez
Produktion: Jasna Witkoski
Ich bin Nele. Ich wurde am Tag des Mauerbaus im Jahr des Mauerfalls in Ost-Berlin geboren. Meine Oma nennt mich Mauer-Nele. Die alljährlichen Meldungen zum Mauergedenken gehören zu meinem Geburtstag wie Kuchen, Kerzen und Sommer. Mein Leben ist so wie es ist, weil es die Mauer nicht mehr gibt. Mein Leben ist aber auch so, weil es die Mauer gab, weil Menschen mit ihr gelebt haben, weil ich an den Resten der Mauer sozialisiert wurde. Diese sogenannte Mauer und ich, wir sind irgendwie verbunden, auch wenn wir uns persönlich kaum kennengelernt haben. Was habe ich also zu tun mit diesem fernen mythischen Land, das in den Erzählungen der Anderen irgendwo zwischen Schlaraffenland und Gulag changiert?
„Mauerschau“ ist aber gar kein Projekt über die Mauer, sondern über eine spezifische Konstellation zwischen deutscher Geschichte und privater Biografie. Ausgehend von einem Zahlenspiel, von einer zufälligen Kulmination von Ereignissen des eigenen Mikro- und Makrokosmos beschäftigt sich „Mauerschau“ mit der jüngeren deutschen Geschichte aus einer absolut unzulässigen subjektiven Perspektive.
Das Leben Neles Eltern und aller anderen Menschen in der DDR hat sich, egal in welchem Verhältnis sie zum System standen, mit dem Fall der Mauer grundlegend verändert. Dabei geht es nicht nur um Reisefreiheit und freie Wahlen. Es geht darum, dass auf jeder Ebene des Lebens, ob Beruf, Familie, Kunst oder das eigene Wertesystem, nichts so weitergehen konnte, wie vorher. Dies bedeutet sowohl das Auftun von ungeahnten Möglichkeiten als auch das Scheitern von ganzen Lebensentwürfen, sicher jedoch eine Umorientierung. Was hat die neuere deutsche Geschichte mit mir zu tun hat und was vielleicht auch nicht. Es geht darum, überhaupt ein Sprechen zu finden, was weder der Geschichtsschreibung gerecht werden muss, sich weder verteidigen noch (nur) einkitschen will.
Als Recherchematerial und Ausgangspunkt der Beschäftigung dienen zum einen die Gespräche zwischen den Beteiligten des Projekts, die alle um die Wende in Ostdeutschland geboren wurden und zum anderen Interviews mit Zeitzeug_innen, vor allem mit den eigenen Eltern und anderen Familienmitgliedern, mit Freunden und Bekannten. All diese Informationen und Berichte bilden die Grundlage von „Mauerschau“. Zudem beschäftigt sich das Stück mit verschiedenen Ausprägungen biografisch-literarischen Schreibens in der DDR unter anderem mit dem literarischen Projekt „Ein Tag im Jahr“ von Christa Wolf. Sie beschreibt hier von 1960 bis zu ihrem Tod jedes Jahr einen Tag ihres Lebens. Nicht um dieses Material direkt zu verwenden, sondern um sich der DDR auf einer anderen, ohnehin immer subjektiv geprägten Ebene zu nähern.
BESETZUNG
Paula Thielecke
FÖRDERUNG
Die Produktion wurde gefördert vom Hauptstadtkulturfonds und Heinz und Heide Dürr Stiftung.
Das Gastspiel wird unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ Gastspielförderung Theater, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie den Kultur- und Kunstministerien der Länder.